Es herrscht absolute Ruhe. Voll konzentriert beugt sich Thomas Lüttich über den grünen Filz, setzt mit dem Queue an und wartet. Wartet lange. Konzentration ist das wichtigste und Lüttich, mit 13 Jahren jüngstes Mitglied des Pool-Billard-Clubs Oberharz (PBC), gehört zu den großen Talenten dieses Sports.
Seit fünf Jahren ist der Nachwuchsspieler beim PBC aktiv. Zurzeit tritt er für die 2. Mannschaft in der Landesliga an. Trotz seines Alters darf "der Kleine" bei den Herren mitspielen und zählt hier bereits zu den Besten. "Es ist immer lustig, wenn Thomas bei einem Ligaspiel antritt, weil er von vielen total unterschätzt wird", schmunzelt Helge Lehmann, Sportwart des Vereins.
Doch spätestens nach dem Match unterschätzt ihn kein Gegenspieler mehr. 15 der 17 Partien hat Lüttich in der vergangenen Saison gewonnen und damit seine Mannschaft auf den dritten Landesliga-Platz geführt. In seiner Spielklasse wird er als Zweitbester in der Disziplin 14.1-endlos geführt. 49 Bälle hat er hier in Folge versenkt. Nur ein Oberharzer konnte bisher eine noch bessere Serie hinlegen: sein 17-jähriger Bruder Martin.
Begonnen hat die steile Karriere vor rund fünf Jahren in der Milchbar des Hallenbads im heimischen Clausthal-Zellerfeld. Nach einem Essen spielte er "aus Spaß" eine Partie Billard mit seinem Bruder Martin. Für die zufällig anwesenden PBC-Mitglieder war sofort klar: Hier spielen zwei Naturtalente. "Wir sind sofort angesprochen worden, ob wir nicht Lust haben, Pool-Billard im Verein zu lernen", erinnert sich der Realschüler an die Anfänge. Da auch Lüttichs Eltern sofort einwilligten,
begann schon kurz darauf das Training für die Brüder.
"Wir haben beiden von Anfang an einen persönlichen Trainer zugeteilt, um sie optimal zu fördern", so der Vereinsvorsitzende Peter Balthaus. Bereits nach wenigen Monaten war die Leistung des damals Achtjährigen so beeindruckend, dass er erste Turnierpraxis sammeln durfte. Ansonsten war der Anfang im PBC nicht immer ein Zuckerschlecken: Wie bei anderen Sportarten steht auch am Billardtisch zunächst einmal die Körperhaltung und der optimale Umgang mit dem Sportgerät auf dem Trainingsprogramm. "Das erste Jahr muss man halt überstehen, danach kann man im Training endlich öfter spielen", so Thomas Lüttich.
Das Pool-Billard-Spiel ist für den Siebtklässler inzwischen weit mehr als ein Hobby. Viermal pro Woche trainiert er in der Milchbar, am Samstag kommen die Fahrten zu den Landesliga-Spielen hinzu. Seine Mitschüler haben keine Probleme mit der ungewöhnlichen Passion. "Ich gehe halt zum Training wie alle anderen, nur dass ich eben kein Fußball spiele."
Obwohl sich Thomas durchaus vorstellen kann, aus seiner Begabung einen Beruf zu machen, bleibt er realistisch. Auf jeden Fall will er erst einmal die Schule beenden. Deshalb spielt Lüttich auch nicht in der ersten Mannschaft des PBC. "Die Partien in der Oberliga sind am Sonntag und gehen oft erst am späten Abend zu Ende", sagt Sportwart Lehmann.
Hinzu kämen längere Anfahrten zu den Oberliga-Gegnern. Das sei mit einem ordentlichen Schulbesuch nicht vereinbar.
PBC-Vorsitzender Balthaus ist überzeugt, dass Thomas Lüttich große Chancen hat, eines Tages zu den wenigen Profis zu zählen. In Bezug auf den eigenen Verein macht der Vorsitzende sich daher auch keine falschen Illusionen: Etwa in drei Jahren werde der Zeitpunkt kommen, "an dem Thomas bei uns nichts mehr lernen kann". Ein Weggang aus dem Oberharz wäre dann unvermeidlich. Doch wenn sich Thomas Lüttich bald auf internationalen Turnieren über den grünen Filz beugt, können die PBC-Verantwortlichen stolz darauf sein, ein solches Talent hervorgebracht zu haben.